Flüchtlingspolitik – Rückkehr der Innengrenzen erschüttert europäischen Zusammenhalt
Liebe Leserinnen und Leser,
vielleicht wachen wir in drei Monaten auf und stellen fest, dass es die Europäische Union, wie wir sie kennen, nicht mehr gibt.
Diese Wahrheit ist radikal und schonungslos. Lange weggelächelt und ignoriert, legt sie sich nun wie ein Schatten über die hektischen Beratungen dieser Tage. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, sich dessen endlich bewusst zu werden. Doch genau daran hapert es offensichtlich, wenn Entscheidungsträger nichts tun. Immer wieder diskutieren die Staats- und Regierungschefs, stellen immer wieder fest, dass es längst 5 vor 12 ist, einigen sich auf Maßnahmen, die sie nicht umsetzen und gehen dann zum nächsten Tagesordnungspunkt über – wegen der Sondergipfel etwas häufiger als sonst.
Wenn es so weitergeht, stehen die Errungenschaften von Schengen immer mehr infrage.
Im Luxemburgischen Schengen hatten zahlreiche EU-Staaten ursprünglich die Abschaffung stationärer Grenzkontrollen vereinbart. Ihre Rückkehr wäre eine verheerende Antwort auf die großen Herausforderungen Europas. Sie würde unseren Kontinent um Jahrzehnte zurückwerfen.
Der EU-Türkei-Gipfel soll Lösungen bringen – wieder einmal. Wo die Türkei an Syrien grenzt, hat sich die Bevölkerung in einigen Regionen verdoppelt. Auf einen Türken kommt ein Flüchtling, Tendenz steigend. Schulen, Krankenhäuser, Abwassersysteme halten der Belastung nicht stand. Die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei ist dringend erforderlich. Doch dürfen wir keinesfalls ignorieren, wie die dortige Regierung Menschenrechte verletzt, Kurden bekämpft und Journalisten verfolgt. Mit der Türkei können wir zurzeit nur ein „kaltes Abkommen“ schließen. Ein notwendiges Abkommen, keines unter Freunden, die sich in allem einig wären. Trotz der Notwendigkeit der Zusammenarbeit werden wir die Situation im Südosten der Türkei weiterhin thematisieren und mit ihr all das, was unseren europäischen Werten entgegensteht.
Auch im Inneren der EU arbeiten politische Kräfte gegen die gemeinsamen europäischen Werte. Ungarn hat ein nationales Referendum angekündigt und Ministerpräsident Viktor Orbán mobilisiert gegen die faire Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten. Einige Regierungen Osteuropas gelten als schärfste Gegner der Quote. Aber eine Einigung kann noch immer gefunden werden – wenn alle Länder der EU endlich zusammenrücken, sich untereinander Vertrauen entgegenbringen und Verantwortung für Versäumnisse übernehmen. Dafür aber müssen wir uns als Einheit begreifen. Als eine Europäische Union. Zukunft geht nur gemeinsam.
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