„Wir sollten Netzpolitik als Chance begreifen“

von Yannick Haan27.12.2009
„Die Netzpolitik muss innerhalb der SPD in der Zukunft noch an politischem Gewicht zunehmen“, fordert Matthias Groote im Interview mit vorwärts.de. Insgesamt wünscht er sich einen offensiveren Umgang mit dem Thema in seiner Partei.


Matthias Groote ist seit 2005 Mitglied des Europäischen Parlaments. Dort gehört er dem Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und dem nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel an.

Bild: www.matthias-groote.de

vorwärts.de: Vor kurzem hat das europäische Parlament dem so genannten Telekom-Paket zugestimmt. In diesem werden die Rechte der Internet- und Handynutzer gestärkt. Wie bewerten Sie das neue Gesetz?
Matthias Groote: Die Verabschiedung des so genannten Telekom-Pakets ist von besonderer Wichtigkeit. Es hat nicht nur weitreichende Verbesserung für die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher gebracht, wie z.B. Vereinfachungen bei dem Wechsel des Mobilfunkanbieters, sondern auch die Rechtssicherheit der Internetnutzer massiv gestärkt. Mich freut besonders, dass sich das Europäische Parlament klar zu einer Stärkung der Bürgerrechte und Grundfreiheiten im Internet bekannt hat und diese letztendlich auch gegen die Vorbehalte der Nationalstaaten erfolgreich durchsetzen konnte.

Im Telekom-Paket wird auch der Umgang mit Internetsperren behandelt. Verlief die Diskussion auf europäischer Ebene anders als in Deutschland?

Anders als in Deutschland, dreht sich die Debatte auf europäischer Ebene nicht um das Sperren von Seiten mit kinderpornografischen Inhalt. Vielmehr wurde der Versuch unternommen, den Nutzern bei drei Urheberrechtsverstößen ohne Anhörung von Gerichten den Internetzugang zu sperren. Der Ansatz der Internetsperren wurde erst im Vermittlungsverfahren durch einen Kompromiss abgemildert. Das zentrale Thema ist die Wahrung der sogenannten „Netzneutralität“. Dadurch soll es garantiert bleiben, dass alle im Internet eingestellten Inhalte neutral behandelt und in keiner Weise von Seiten der Anbieter gefiltert oder gar blockiert werden. So soll verhindert werden, dass Internetprovider mitbestimmen und selektieren, welche Seiten und Services für den Nutzer zugänglich sind und welche nicht.


Wie werden Sie sich persönlich weiter mit dem Thema beschäftigen?

Ich erachte das Prinzip der Netzneutralität für besonders wichtig und werde es weiterhin aufmerksam verfolgen. Ich habe hierzu bereits Anfragen an die Kommission gerichtet und werde das Thema auch während der Anhörungen der zukünftigen Kommissare aufgreifen, welche im Januar stattfinden werden. Auf Druck des Europäischen Parlaments während  der Verhandlungen zum Telekom-Paket hat sich die EU-Kommission bereits in einer schriftlichen Erklärung zur Wahrung der Netzneutralität in der EU bekannt. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber bei weitem nicht genug. Nur wenn es uns gelingt, auf europäischer Ebene ein Gesetzgebungsverfahren auf den Weg zu bringen können wir wirklich sicher sein, dass die Netzneutralität innerhalb der EU auch rechtlich garantiert wird.

Wie denken Sie muss die SPD zukünftig mit dem Thema Netzpolitik umgehen?

Wir sollten dieses Thema offensiv angehen und es als große Chance für unsere Partei begreifen. Durch Internet und Web 2.0 tools wie facebook und Twitter haben wir die Möglichkeit, den Spaß an Politik auch an andere Zielgruppen zu vermitteln und die Bürgerinnen und Bürger zum mitgestalten anzuregen. Das Internet ist eine Wachstumsbranche und soll sich weiterhin rasant fortentwickeln können. Innovation sollte gefördert und nicht beschnitten werden, denn schließlich hat Innovation schon immer Arbeitsplätze geschaffen. Uns muss außerdem bewusst sein, dass diesem Thema insbesondere von jungen Menschen Beachtung geschenkt wird, denn schließlich ist das Internet längst ein zentraler Gegenstand ihres Alltags. Wir sollten es daher nicht versäumen, die Jugend in diese Diskussion miteinzubeziehen.

Seit einigen Wochen hat die SPD eine neue Parteispitze. Wie denken Sie wird sich das Thema unter der neuen Parteiführung entwickeln?

Netzpolitik wird und muss innerhalb der SPD in der Zukunft noch an politischem Gewicht zunehmen. Die Bedeutung des Internets steigt kontinuierlich und betrifft immer weitere Teile des gesellschaftlichen Lebens, dieses wichtige Thema dürfen wir daher nicht anderen Parteien überlassen. Ich bin positiv überzeugt, dass sich die neue Parteispitze dieser Entwicklung durchaus bewusst ist. So hat z.B. Sigmar Gabriel schon davon gesprochen, dass wir als Partei ein digitales Lebensgefühl entwickeln müssen. Dem kann ich nur zustimmen, denn Netzpolitik entwickelt sich zwangsläufig durch technische Innovation. Als Sozialdemokraten ist es uns ein natürliches Anliegen, den gesellschaftlichen Fortschritt aktiv voranzutreiben. Daher wird die Netzpolitik in unserer Partei in der Zukunft einen festen Platz bekommen müssen.

Quelle: vorwaerts.de