Liebe Leserinnen und Leser,
geht es Ihnen auch so, dass Sie in jüngster Zeit ein zumindest ungutes Gefühl haben, wenn Sie Nachrichtenportale und Zeitungen, Facebook oder Twitter checken? Weil Sie fürchten, dass ein Klick die nächste eigentlich unmögliche Neuigkeit in die Timeline spült? Nachrichten wie die, dass der Präsident der USA – der einst wichtigsten Demokratie der Welt – einen Einreisestopp für Muslime aus sieben Ländern verhängt. Dass seine rechte Hand, Stephen Bannon, keinen Hehl daraus macht, das politische System der USA zerstören zu wollen. Oder dass seine Beraterin Kellyanne Conway versucht, blanke Lügen als „alternative Fakten“ zu verkaufen. Nachrichten von diesem Kaliber. Oder sind Sie vielleicht schon abgestumpft, weil Ihre Kapazitäten, eigentlich Unmögliches zu verarbeiten, erschöpft sind? Und macht nicht das erst Recht Angst?
Willkommen in der Trump-Ära. Nicht erst, aber besonders seit dem Amtsantritt des Ex-Bautycoons und Immer-noch-Haudraufs hat sich das politische Koordinatensystem auch für Europa grundlegend verschoben. Sicher geglaubte Grundsätze westlicher Gesellschaften wackeln. Nichts scheint mehr zu verrückt, als dass es nicht schon beim nächsten Scrollen wahr sein könnte. Geschichte wird auf Twitter in 140 Zeichen geschrieben. Mal eben so.
So komplex und unterschiedlich die Gründe auch sind, die zur Wahl Donald Trumps geführt haben: Unterm Strich steht eine gewaltige Menge Frustration bei den Menschen – verursacht durch das Gefühl, dass es auf der Welt ungerecht zugeht. Zu Recht! Nur sind die Lösungen für dieses Problem nicht annähernd so einfach wie es Populisten von der Sorte Trump den Menschen vorgaukeln. Ein weiteres Beispiel dafür ist Trumps Ankündigung, die USA vom internationalen Handel quasi abzukoppeln, in der Hoffnung so die amerikanische Wirtschaft anzukurbeln. Experten sind sich dagegen einig, dass der Abschottungs-Kurs den USA schadet – und natürlich auch dem Handelspartner Europa.
Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt die europäische Handelspolitik klug weiterentwickeln- fair, sozial und ökologisch. Deshalb arbeiten wir seit 2014 an einem neuen Handelsabkommen zwischen Europa und Kanada. Der Rohtext war aus sozialdemokratischer Sicht nicht annehmbar. Doch während es sich Linke und Konservative leicht machten und ihn einfach pauschal befürwortet oder abgelehnt haben, hat sich die SPD gründlich mit dem Text beschäftigt und ihn deutlich verbessert. So haben wir zum Beispiel durchgesetzt, dass Investorenstreitigkeiten vor ordentlichen Gerichten verhandelt werden, statt vor privaten Schiedsstellen. Klingt unsexy? Mag sein. Passt auch nicht in 140 Zeichen. Ist trotzdem wichtig (mehr zu CETA unten).
Das Beispiel zeigt: Wenn man Ungerechtigkeit auf der Welt mindern will, bringt einen Schwarz-Weiß-Denken nicht weiter. Das müssen wir den Menschen noch besser vermitteln. Nur so können wir verhindern, dass sie weiterhin auf plumpe Blender mit vermeintlich einfachen Lösungen hereinfallen. Und wir müssen ihnen zeigen, dass es Alternativen gibt.
Eine solche Alternative ist unser heißester Brüssel-Export Martin Schulz, gerade noch Präsident des Europaparlaments, jetzt designierter Kanzlerkandidat und Vorsitzender der SPD. In nicht einmal zwei Wochen hat Martin die amtierende Kanzlerin in der Popularität überholt und der SPD lange nicht gesehene Höchstwerte beschert – sicher vor allem, weil die Menschen merken, dass er sie ernst nimmt. „Wir müssen wieder spüren, was es heißt, wenn Du Sorgen um Deine Kinder hast, wenn Du nachts wach liegst, weil Du nicht weißt, ob die Firma überlebt“, hat Martin gesagt, als er sich vor einer Woche in Brüssel von uns verabschiedete, um sich auf den Wahlkampf zu konzentrieren. Und hat bekräftigt, dass wir Europa jetzt mehr denn je brauchen. Mit Frank-Walter Steinmeier wird zudem am Sonntag ein Sozialdemokrat zum Bundespräsidenten gewählt, der sich in seiner Zeit als Außenminister ebenfalls stets für Europa stark gemacht. Es gibt sie eben doch noch, die guten Nachrichten. Gratulation, liebe Genossen!
Wir kämpfen indes von Brüssel aus weiter für eine gerechtere Welt – übrigens mit einem neu gewählten Vorstand. Neben Jens Geier, unserem Vorsitzenden, gehören unsere Abgeordneten Sylvia-Yvonne Kaufmann, Constanze Krehl, Joachim Schuster und Jutta Steinruck dazu. Unsere Losung des Monats: Nicht abstumpfen, fassungslos bleiben – und gegenhalten.
Ihre Europa-SPD
Weitere Themen unseres Newsletters:
– Fair handeln gegen Trumps Nationalismus – Entscheidung über CETA
– Rettung des Emissionshandels – Balance zwischen Klimaschutz und Erhalt von Arbeitsplätzen