Wahl in Ungarn: Die EU darf den Rechtsruck nicht länger beschweigen

Zum Ausgang der Parlamentswahlen in Ungarn am 11. April 2010 und dem deutlichen Sieg der rechts-konservativen Fidesz-Partei erklären der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Axel Schäfer und sein Stellvertreter Michael Roth:

Mit dem Wahlsieg der christdemokratischen/konservativen Partei Fidesz des früheren Ministerpräsidenten Viktor Orban an der Spitze und dem Parlamentseinzug der rechtsextremen Jobbik Partei haben erstmals in der Geschichte der EG/EU rechte bis rechtsextreme Parteien mehr als zwei Drittel der Stimmen bei einer demokratischen Wahl erreicht. Ab heute muss in der EU dieses Thema ganz vorne auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die Zeit des Beschweigens, vor allem durch die europäische Christdemokratie (EVP), muss vorbei sein.

Der Sieg der Fidesz und die katastrophale Niederlage der bisherigen sozialistischen Regierung haben zwei zentrale Ursachen.

  1. Der Linken ist es nicht gelungen nach zwei Wahlsiegen (2002 und 2006) die Probleme des Landes zu lösen.
  2. Die rechten Parteien – Fidesz und Jobbik – haben durch antiparlamentarische Demagogie, die Denunziation der politischen Kontrahenten „als Feinde der Nation“ und versteckten wie offenen Fremdenhass und Antisemitismus leider Erfolg gehabt.

Europa ist gefragt: Seit der Jahrtausendwende erleben wir in immer mehr Ländern eine Entgrenzung der Christdemokraten/Europäischen Volkspartei nach rechts:

  • In Dänemark ist seit 2001 eine christdemokratische Minderheit mit Unterstützung der ausländerfeindlichen Kirkegaard-Partei an der Macht.
  • In den Niederlanden hatten Christdemokraten auch Rechtspopulisten in die Regierung geholt, ebenso wie
  • in Österreich, wo die konservative Volkspartei mit den Haider-Leuten paktierte.
  • In Tschechien hat Staatspräsident Vaclav Klaus (ehemals EVP) erst die konservative Regierungspartei gespalten und dann eine neue rechtspopulistische Partei gefördert.
  • In Italien regiert zum wiederholten Male Silvio Berlusconi gemeinsam mit den ehemaligen Neofaschisten und einer separatistischen Partei.

Und jetzt Ungarn.

In allen Ländern haben Mitglieder der Europäischen Volkspartei (EVP), der Parteifamilie von Frau Merkel und Herrn Seehofer, diesen Rechtskurs betrieben.

Frau Merkel steht jetzt in der Verantwortung als europäische Politikerin. Herr Orban ist der stellvertretende Vorsitzende der EVP. Er gehört in die Reihe von denjenigen, auf die sich Frau Merkel in der EU stützt. Einige von diesen haben die Grenzen zwischen christdemokratisch-konservativ einerseits, rechtspopulistisch und rechtsextrem andererseits überschritten.

Auf die gefährlichsten Risiken für Europa angesprochen, hat EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy „die große Gefahr des Populismus“ benannt. Die Versuchung sei groß, Sündenböcke zu finden, was sich auch in einem „mangelndem europäischen Engagement“ äußere, so der Vorsitzende der 27 EU-Staats- und Regierungschefs. Er erwähnt ausdrücklich die Ausländerfeindlichkeit und richtet sich damit in seiner Kritik auch gegen das Koalitionsverhalten von christdemokratischen Parteien. Frau Merkel ist an entscheidender Stelle mitverantwortlich für die EVP und damit auch für diese Politik in ihrer Parteifamilie. Das vernehmliche Schweigen der CDU-Vorsitzenden zur Politik von Herrn Orban und anderen nach rechts offenen Christdemokraten muss ein Ende haben.

(Quelle: SPD-Fraktion)

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