Ein Wechselbad der Gefühle, so kann man die derzeitige Gemütslage passend beschreiben, wenn es um die Europäische Union geht. Das Schlimme zuerst: Es kommt nicht jeden Tag vor, dass im Europaparlament Tränen fließen. Diese Woche war so ein seltener Fall. Am Mittwoch – dem Tag, an dem Großbritannien offiziell den Austritt aus der Europäischen Union beantragte – sprachen einige Labour-Abgeordnete zu ihren Fraktionskollegen über den historischen Antrag und seine Folgen, teils sehr emotional. Eine Aussage einer Abgeordneten hat uns besonders berührt: Brexit hin oder her – sie werde immer Europäerin bleiben. Der Satz beweist einmal mehr, dass Europa mehr ist als das unverwüstliche Klischee vom Bürokratiemonster, nämlich eine großartige Idee.
Und diese Überzeugung verbreitet sich derzeit wieder wie ein Lauffeuer – ein klarer Mutmacher und deshalb Höhepunkt. In immer mehr Städten gehen sonntags Menschen zu den Demonstrationen der pro-europäischen Initiative „Pulse of Europe“. Vermutlich nicht, weil sie die EU in jeder Hinsicht perfekt finden. Das ist sie schlichtweg nicht. Sondern weil sie von dem Prinzip überzeugt sind, dass die Staaten gemeinsam mehr bewirken können als jeder für sich allein. Ob es nun darum geht, Menschen in Not aufzufangen, die Bürger vor Umweltgiften zu schützen oder die digitale Revolution sozialverträglich zu gestalten. Damit haben die Demonstranten vielen Staats- und Regierungschefs, die gute gemeinsame Initiativen häufig zugunsten nationaler Eigeninteressen blockieren, viel voraus.
Aber so ermutigend die Demonstrationen auch sind, so wenig dürfen sie darüber hinwegtäuschen, dass Europas Zukunft auf Messers Schneide steht, womit wir wieder beim Schlimmen wären. Wir sind womöglich nur eine Wahl vom Scheitern entfernt. Sollte Marine Le Pen nicht nur im ersten Wahlgang am 23. April, sondern auch in der darauf folgenden Stichwahl am 7. Mai das Rennen in der französischen Präsidentschaftswahl machen, droht die Union nach Großbritannien ein weiteres wichtiges Mitglied zu verlieren – und womöglich auseinanderzubrechen.
Eine weitere zwar nicht europäische, aber für Europa doch kritische Wahl steht am 16. April an. Dann entscheiden die Türken über das von Präsident Erdogan vorgeschlagene Verfassungsreferendum. Die Reform würde die Türkei nach Ansicht von Experten endgültig zum Ein-Mann-Staat umformen – und Erdogan freie Hand geben, seine Repression gegen vermeintliche Regierungskritiker auch jenseits des derzeit verhängten Ausnahmezustands fortzusetzen. Schon jetzt sitzen Tausende Oppositionelle, Richter oder Journalisten in Haft, darunter auch der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel. Wahrlich keine idealen Voraussetzungen für ein gutes Verhältnis zwischen der EU und der Türkei.
Was unter diesen Umständen mehr denn je gefragt ist: Kluge Köpfe, für die Europa ebenfalls Herzenssache ist. Unser Mann aus Brüssel, Martin Schulz, ist beim Bundesparteitag mit überwältigenden 100 Prozent der Stimmen zum Parteivorsitzenden und SPD-Kanzlerkandidaten gewählt. Wir gratulieren! Herzliche Glückwünsche gehen auch an Udo Bullmann, SPD-Europaabgeordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europaparlament. Er rückt für Martin als Europabeauftragter in den SPD-Parteivorstand auf. Mit ihnen sind wir in diesen aufwühlenden Zeiten bestens gerüstet.
Ihre Europa-SPD
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