Aufruf der SPD zum 1. Mai 2011

Das SPD-Präsidium hat heute folgenden Aufruf zum 1. Mai 2011 verabschiedet:

Der 1. Mai 2011 steht unter dem Eindruck der nuklearen Katastrophe in Japan. Wir sind an diesem Tag auch solidarisch mit den Menschen, die unter den Folgen von Erdbeben und der atomaren Gefahr leiden. Diese Katastrophe hat einmal mehr deutlich gemacht: Die Natur lässt sich nicht vom Menschen beherrschen. Und: Atomkraft ist nicht sicher – weder vor Naturgefahren, noch vor menschlichem Versagen, technischen Unwägbarkeiten oder Terroranschlägen. Daraus müssen endlich Schlussfolgerungen gezogen werden: Das Atomzeitalter muss zu Ende gehen – so schnell wie möglich, aber vor allem dauerhaft und unumkehrbar.

Die Energiewende muss kommen. Sie ist nicht nur eine Frage der Vernunft und der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen. Sie ist auch eine Chance für technologischen Fortschritt in unserem Land und birgt enorme Beschäftigungspotentiale. Seitdem die SPD das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf den Weg gebracht hat, sind in diesem Bereich über 300.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Für Industrie und Arbeitsplätze in Deutschland liegen in der Energiewende auch künftig große Chancen: Mit Energieeffizienz, ressourcenschonenden Materialien, modernen Antriebstechniken und den weltweit führenden Entwicklungen der erneuerbaren Energien können in Deutschland viele zukunftsfähige, gute Arbeitsplätze entstehen. Das ist der Schlüssel zu einem Wachstum, das wirtschaftlichen Erfolg, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit verbindet. Unser Ja zur Energiewende ist deshalb auch ein Ja zum Industriestandort Deutschland.

Ab 1. Mai gilt die uneingeschränkte Freizügigkeit für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten, die 2004 der EU beigetreten sind. Arbeitnehmerfreizügigkeit gehört zu den Grundprinzipien des zusammenwachsenden Europas. Grundlage für die Akzeptanz der grenzüberschreitenden Freiheiten ist die Existenz des fairen Wettbewerbs. Das bedeutet gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Die Bundesregierung hat diesen fairen Wettbewerb jedoch verhindert – zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Fast alle unsere europäischen Nachbarn haben einen gesetzlichen Mindestlohn und andere Regelungen, die Lohndumping – auch bei der Leiharbeit – unterbinden. CDU, CSU und FDP haben eine solche Regelung in Deutschland verhindert. Dies ist Ausfluss der ideologisch motivierten Ignoranz von Schwarz-Gelb. Die SPD hat in der für Dumpingkonkurrenz besonders anfälligen Leiharbeitsbranche einen Mindestlohn durchgesetzt. Denn sozial ist nur, was Arbeit schafft, von der man leben kann. Der gesetzliche Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro bleibt für die SPD deshalb auf der Tagesordnung!

Aus der Wirtschafts- und Finanzkrise der zurückliegenden Jahre wurden keine Konsequenzen gezogen. Die Zeche für Versagen, Gier und Maßlosigkeit der angeblichen Eliten zahlen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Familien. Dass die Krise in unserem Land glimpflich verlaufen ist, ist den Tarifparteien und den Beschäftigten zu verdanken. Jetzt sind die Auftragsbücher voll und die Unternehmen machen gute Gewinne. Ein wirtschaftlicher, nachhaltiger Aufschwung erfordert ein ausgeglichenes Verhältnis von Exportwirtschaft und Binnennachfrage. Nur eine Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den Früchten des Erfolgs wird zu dauerhaftem Wachstum führen. Auch deshalb brauchen wir starke Gewerkschaften, die gute Löhne und Arbeitsbedingungen durchsetzen.

Wir wollen einen Aufschwung nicht für wenige, sondern für alle Menschen in unserem Land. Das heißt für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch: Wir müssen die Chance nutzen, um die Arbeitslosigkeit und insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit endlich deutlich zu senken. Wer blindlings bei Weiterbildung und Qualifizierung kürzt wie Frau von der Leyen, sollte zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit und Fachkräftemangel schweigen. Wir brauchen funktionierende Arbeitsförderung und Verlässlichkeit für die Akteure der Arbeitsmarktpolitik, damit alle Menschen ihre Chance auf Arbeit nutzen können.

Ein Blick hinter die Kulissen des Beschäftigungsaufschwungs offenbart eine tiefgreifende Krise unserer Arbeitsgesellschaft. Der Niedriglohnsektor ist mit 22 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten massiv angewachsen, besonders Frauen arbeiten in diesem Bereich. Diese Entwicklung muss endlich gestoppt und umgekehrt werden. Neben einem gesetzlichen Mindestlohn ist dafür eine Stärkung des Tarifvertragssystems notwendig. Wir wollen der zunehmenden Tarifflucht dadurch begegnen, dass per Gesetz Tarifverträge leichter allgemeinverbindlich erklärt werden können. Der Missbrauch der Leiharbeit muss endlich wirksam bekämpft werden. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – dieses Prinzip muss uneingeschränkt gelten. Jeder zweite neue Arbeitsvertrag wird nur noch befristet abgeschlossen. Viele, vor allem junge Menschen, werden von einem befristeten Vertrag zum nächsten gereicht, oft über Jahre. Eine vernünftige Lebens- und Familienplanung ist so kaum möglich. Wer arbeitet, verdient Respekt. Die SPD will daher die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung abschaffen.

Auch hundert Jahre nach dem ersten internationalen Frauentag werden Frauen in unserem Land beim Lohn systematisch diskriminiert. Das ist nicht nur ein sozialpolitischer Skandal, es verstößt auch gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes. Hier muss der Gesetzgeber endlich handeln. Auch hier muss der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten. Die SPD hat ein Entgeltgleichheitsgesetz vorgeschlagen, mit dem dieser Missstand endlich beendet werden kann.

Auch bei der Gesundheitsversorgung legt die SPD mit der Bürgerversicherung ein Konzept vor, wie es besser geht. Während die Bundesregierung aus der Zwei-Klassen-Medizin mit Zusatzbeiträgen und Kopfpauschalen eine Drei-Klassen-Medizin machen will, wollen wir, dass zukünftig alle gemäß ihres Einkommens einzahlen. Die Arbeitgeber sollen künftig wieder den gleichen Anteil an der Finanzierung wie die Arbeitnehmer übernehmen, damit so die solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens wiederhergestellt wird.

Gerechter Lohn für gute Arbeit, die Stärkung des Normalarbeitsverhältnisses, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit; das alles sind keine Maximalforderungen. Es sind Mindestansprüche an eine solidarische und gerechte Gesellschaftsordnung, in der der Wert der Arbeit geschätzt und die Würde der arbeitenden Menschen geachtet wird. Wir rufen die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei auf, am 1. Mai 2011 gemeinsam mit den Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes für diese Ziele zu demonstrieren.

(Quelle: SPD.de)