Zur heutigen Paraphierung eines Steuerabkommens zwischen Deutschland und der Schweiz erklären der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Joachim Poß und die finanzpolitische Sprecherin Nicolette Kressl:
Die schwarz-gelbe Bundesregierung will die Steuergerechtigkeit und den ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug den Interessen der Schweizer Banken und ihrer straffälligen deutschen Kunden opfern. Dies lehnen wir ab. Die SPD warnt bereits seit der Vereinbarung der jetzt abgeschlossenen deutsch-schweizerischen Steuerverhandlungen im Oktober 2010 vor einem leichtfertigen Verzicht auf bestehende deutsche Steueransprüche.
Steuerhinterziehung ist in Deutschland eine Straftat. Nach geltender Rechtslage kann der Täter eine Bestrafung aber durch Selbstanzeige und vollständige Steuerzahlung abwenden. Exklusiv für die Steuerpflichtigen, die mit oft hoher krimineller Energie in den vergangenen Jahrzehnten Vermögen in dreistelliger Milliardenhöhe vor dem deutschen Fiskus in der Schweiz versteckten, will Bundesfinanzminister Schäuble einen optionalen Rückweg in die Legalität eröffnen: anonym, kapitalschonend und nicht zuletzt rechtzeitig für die heutige Generation reicher Erben. Wem selbst dies zu teuer ist, dem bleibt die ungehinderte Verlagerung seines Vermögens von der Schweiz in ein Drittland.
Die Idee ist absurd: Mit beispiellos reduzierten Voraussetzungen für die Straffreiheit sollen die uneinsichtigen Täter belohnt werden, die bis heute ihr gemeinschaftsschädigendes Verhalten fortsetzen. Abwegig ist auch, dass ausgerechnet die Schweizer Banken, die ihre Kunden bei der Steuerhinterziehung bisher unterstützen, die pauschalierte Steuer mit strafbefreiender Wirkung festsetzen, einziehen und abführen sollen. Die tatsächliche Umsetzung im Einzelfall bleibt damit ungewiss.
Die Vereinbarung zur Beseitigung der Schweizer Altlast verletzt das Rechtsempfinden jedes ehrlichen Steuerzahlers in Deutschland. Die SPD wird im Deutschen Bundestag alle Fragen der Steuergerechtigkeit und der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eingehend thematisieren. Bei Nachbesserungsbedarf müssen auch CDU/CSU und FDP das kommende Vertragsgesetz ablehnen, da den nationalen Parlamenten Änderungen versagt sind.
Für die Schweiz ist das Abkommen Teil ihrer „Weißgeldstrategie“, wonach der dortige Finanzplatz nur noch versteuerte Gelder verwalten soll. Mit dem Angebot einer anonymen Legalisierung unversteuerter Vermögensbestände hoffen die dortigen Banken, die drohende Abwanderung ihrer deutschen Kunden zu verhindern. Gegen geringfügige Zugeständnisse beim Bankgeheimnis wollen sie einen leichteren Marktzutritt in Deutschland und den Schutz vor Strafverfolgung wegen ihrer Beteiligung an den Steuerhinterziehungen erreichen.
Das deutsche Interesse an der Altfallregelung ist weniger offensichtlich. Beim jüngst beschlossenen Schwarzgeldbekämpfungsgesetz sah die schwarz-gelbe Koalition noch keine Notwendigkeit, die Anforderungen an die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung abzumildern. Schäuble hält die angestrebte privilegierte Behandlung von Straftätern mit unversteuertem Vermögen in der Schweiz allerdings für ein Instrument zur Erreichung von mehr Steuergerechtigkeit und erwartet deshalb keinen Widerstand in Deutschland (Neue Züricher Zeitung vom 29. Oktober 2010).
Von der bloßen Aussicht auf einmalige Steuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe sollte sich der hiesige Gesetzgeber jedenfalls nicht blenden lassen. Die Schweizer Kreditwirtschaft, die ihre deutsche Klientel kennt, begrenzt seit Beginn der Steuerverhandlungen informell deren Verfügungsbefugnis über Schwarzgeldanlagen und streitet heftig über die interne Aufbringung der Garantiesumme für Deutschland. Die Sorge der Banken, dass ihnen bei geringem Interesse der Steuerflüchtlinge auch an dieser neuerlichen Amnestieregelung ihre Vorleistung nicht erstattet wird, ist groß.
(Quelle: SPD-Fraktion)