Spießrutenlauf für Schwarz-Gelb

Zur Anhörung im Deutschen Bundestag am Donnerstag zum Energiekonzept der Bundesregierung erklären der energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Hempelmann und sein Stellvertreter Dirk Becker:

Es passiert nicht oft, dass in einer Anhörung nahezu alle anwesenden Sachverständigen vielfältige Mängel am vorgelegten Gesetz kritisieren. Bei der gestrigen Anhörung zum Energiekonzept der Bundesregierung war es der Fall: Vertreter der kommunalen Unternehmen, von Industrie und Anlagenbau, der Erneuerbaren Energien, einschlägige Forschungsinstitute und das Bundeskartellamt bekräftigten ihre Bedenken am energiepolitischen Kurs der schwarz-gelben Koalition.

Das Bundeskartellamt hatte im Zuge des Atomausstiegs mit positiven strukturellen Effekten für den Wettbewerb auf dem Stromerzeugungsmarkt gerechnet. Dem stünden durch die Laufzeitverlängerungen nun aber deutliche Konzentrationswirkungen auf dem Markt entgegen. Darüber hinaus beklagte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, dass die Vorschläge des Bundeskartellamts zum Ausgleich von wettbewerbsverzerrenden Effekten von Atomlaufzeitverlängerungen keinen Niederschlag im Konzept gefunden hätten.

Überhaupt sei Wettbewerbsneutralität mit dem vorliegenden Konzept nicht gegeben, bekräftigte auch VKU-Hauptgeschäftsführer Volker Reck. Dies führe unter anderem dazu, dass bereits in der Planung befindliche Kraftwerksprojekte mit einem Investitionsvolumen von rund vier Milliarden Euro zurückgestellt werden müssen. Dies wiederum gefährde viele Arbeitsplätze bei jenen großen und kleinen Unternehmen, die in solchen Großprojekten arbeiten, wie Thorsten Herdan vom Verband Maschinen- und Anlagenbau betonte.

Zudem bestehe für die kommunalen Unternehmen die Gefahr, dass bereits getätigte Investitionen sich nicht mehr rentieren, also zu „stranded investments“ werden. Damit wird den Unternehmen auch die finanzielle Basis entzogen, um den dringend notwendigen Ausbau der Verteilnetze voranzutreiben. Doch dieser Ausbau bildet die Grundlage für den weiteren Ausbau der dezentralen Erneuerbaren Energien.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie übte scharfe Kritik an den Energiesteuerplänen der Bundesregierung. Die angekündigte Erhöhung der Ökosteuer für industrielle Großkunden bedrohe somit eine Branche, die für 850.000 Menschen Arbeit und Einkommen sichert.

Darüber hinaus konnten die Sachverständigen nicht nachvollziehen, dass die Bundesregierung in ihrem Energiekonzept den Anteil von Energieimporten bis zum Jahr 2050 auf bis zu 30 Prozent erhöhen will. Bisher war es politischer und wirtschaftlicher Konsens, dass gerade ein Industrieland wie Deutschland die Stabilisierung seiner Versorgungssicherheit und damit eine Verringerung der Importabhängigkeit zum Ziel haben muss.

Im Laufe der Anhörung wurde auch deutlich, dass wir die Anstrengungen jetzt auf eine bessere Markt- und Netzintegration der Erneuerbaren Energien gerichtet werden müssen. Stattdessen versucht die Bundesregierung mit ihrem Energiekonzept den Ausbau der regenerativen Energien zu stoppen. Dies wird mittlerweile ganz ungeniert auch von Vertretern der großen vier Energieversorgern gefordert – würden sie doch von einem Festhalten am Status Quo mit weiteren Milliardengewinnen profitieren.

Dass dieses Energiekonzept den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv bremst, legte der Präsident des Bundesverbandes Windenergie, Hermann Albers, dar: Seine Branche gehe davon aus, dass bereits im Jahr 2015 mehr Windkraft an Land installiert sei, als die Bundesregierung für das Jahr 2050 anstrebt.

Mit ihrem „Go“ für die Atomkraft und ihrem offenbar schon längst mit der Atomwirtschaft beschlossenem Stopp für die Erneuerbaren Energien handelt die Bundesregierung gleich gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung, die ein Festhalten am Atomausstieg und einen zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien unterstützt. Ein solches Regierungshandeln stärkt eher die Akzeptanzkrise in unserer Gesellschaft und erschwert die Umsetzung wichtiger Infrastrukturprojekte

Die gestrige Anhörung verschiedener Experten hat es noch einmal deutlich gemacht: Das Energiekonzept der Bundesregierung ist kein energiepolitischer Fahrplan bis ins Jahr 2050, sondern wirft Deutschland um 20 Jahre zurück.

(Quelle: SPD-Fraktion)