Unser außenpolitischer Sprecher Nils Schmid über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, die angebliche Zögerlichkeit des Kanzlers und warum es bei Sicherheitspolitik um mehr als Waffen geht.
Die Regierungfraktionen haben einen Antrag erarbeitet zur Unterstützung der Ukraine. Darin wird auch der Lieferung schwerer Waffen zugestimmt. Was heißt das genau?
Nils Schmid: Wir wollen, dass die Ukraine militärisch unterstützt wird, auch durch Waffenlieferungen. Einerseits können wir den so genannten Ringtausch vornehmen. Das heißt, Nato-Partner liefern schwere Waffen sowjetischer Bauart direkt in die Ukraine und diese werden dann ersetzt durch westliche Waffen, beispielsweise auch aus Deutschland. Das andere ist, dass wir, wenn wir nicht die Bündnisfähigkeit der Bundeswehr beeinträchtigen, auch selber schwere Waffen liefern, entweder aus Bundeswehr-Beständen oder eben aus Beständen der deutschen Rüstungsindustrie.
Was genau sind schwere Waffen?
Nils Schmid: Schwere Waffen sind Panzer und Flugzeuge, aber auch schwere Artillerie. Geschütze wie Haubitzen, die dann auch selbstfahrend sind. Das ist Gerät, das jetzt für die Ukraine wichtig sein kann, weil die russische Seite vom Osten der Ukraine aus versucht, ebenfalls mit schweren Waffen weiteres Terrain zu erobern.
Heute wurde ja bekannt, dass 50 Gepard-Panzer direkt von der deutschen Industrie in die Ukraine geliefert werden sollen. Ist das auch von dem Antrag gedeckt?
Nils Schmid: Das ist von diesem Antrag gedeckt, soweit es nicht die Bundeswehr in ihrer Verteidigungsfähigkeit einschränkt. Und wenn die Rüstungsindustrie das direkt liefern kann, dann ist es auch für uns okay.
Und ohne die 50 Gepard-Panzer ist unsere Bündnisfähigkeit gedeckt?
Nils Schmid: Das hat das Bundesverteidigungsministerium geprüft und deshalb hat die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht heute auch diese Lieferung angekündigt. Damit stärken wir ganz direkt die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine im Krieg gegen Russland.
Worin besteht die Bündnisfähigkeit genau?
Nils Schmid: Wir haben als Deutschland im Rahmen der NATO bestimmte Fähigkeiten vorzuhalten. Wir haben versprochen, beispielsweise, dass wir die sogenannte Ostflanke der NATO dort, wo die NATO direkt an Russland angrenzt, verteidigen wollen durch Entsendung von Bundeswehr-Truppen, also Mannschaft, aber auch durch entsprechende Waffen. Dazu brauchen wir bestimmte Panzer und anderes Gerät und dieses müssen wir selbstverständlich vorhalten. Das können wir nicht einfach in die Ukraine abgeben, weil wir damit den Schutz unserer Partner schwächen würden. Gleiches gilt für das Versprechen, dass wir bestimmte Fähigkeiten, bestimmte Panzertruppen innerhalb von wenigen Tagen mobilisieren können im Falle eines Angriffs – und die entsprechende Munition auch dazu. Diese Bestände können wir da nicht einfach in die Ukraine liefern, weil wir sonst unseren Beitrag zur Bündnisverteidigung aufgeben müssen.
Es wird ja nun schon mehrere Wochen über die Lieferung schwerer Waffen gesprochen. Viele haben kritisiert, dass das alles sehr lang gedauert hat, dass unser Bundeskanzler dann sehr zögerlich war. Warum erst jetzt die Entscheidung, auch schwere Waffen zu liefern?
Nils Schmid: Ich bin wie viele andere froh, dass Olaf Scholz sehr sorgfältig die Waffenlieferungen prüft. Denn es geht ja darum, einerseits sicherzustellen, dass wir nicht Teilnehmer eines Krieges werden, dass Deutschland und die NATO nicht direkt Kriegspartei werden. Es geht aber andererseits auch darum, dass wir die Fähigkeiten der Bundeswehr nicht schwächen, dass wir uns nicht sozusagen entblößen, indem wir Waffen in die Ukraine liefern. Und schließlich geht es darum, dass wir gemeinsam mit unseren Bündnispartnern vorgehen, also keine deutschen Alleingänge machen. Deshalb braucht es etwas länger. Und Olaf Scholz ist einer, der lieber über Ergebnisse und weniger über ungelegte Eier redet. Das finde ich gut.
Die Union legt ja auch einen Antrag vor zu diesem Thema in dieser Woche. Worin unterscheiden sich die beiden Anträge?
Nils Schmid: Der Antrag der Union ist offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt. Das sind zahlreiche Ungereimtheiten drin. Sie wollen zentrale Bausteine der Bundeswehr wie den Leopard-Panzer einfach in die Ukraine schicken. Das geht nicht. Und gleichzeitig ist der Antrag der Union sehr eng gefasst. Es geht wirklich nur um die militärische Unterstützung der Ukraine. Wir vertreten einen umfassenden Sicherheitsbegriff. Die Ampelkoalition hat sich darauf verständigt, dass wir Sicherheit natürlich militärisch, aber auch ökonomisch und umfassend, was die menschliche Sicherheit anbelangt, definieren. Deshalb gehen wir in unserem Antrag auch auf die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine, auf die weltweite Versorgung mit Nahrungsmitteln ein. Das ist uns wichtig. Und wir wollen deutlich machen, dass Deutschland hinter den internationalen Organisationen wie der UNO und dem Internationalen Strafgerichtshof steht. Gerade in Kriegszeiten ist es besonders wichtig, das Völkerrecht und den Multilateralismus zu verteidigen.
Besteht die Chance, dass Union und Koalition noch zusammenfinden, dass in dieser Woche ein gemeinsamer Antrag abgestimmt wird?
Nils Schmid: Ich hoffe es. Es ist ein gutes Zeichen, wenn wir eine breite Unterstützung für die Ukraine-Politik der Bundesregierung im Parlament erreichen könnten. Wir sind offen für einen gemeinsamen Antrag.
Es geht ja auch darum, dass wir nicht Kriegspartei werden dürfen. Gibt es das Risiko, dass wir durch die Lieferung dieser schweren Waffen aber genau das werden?
Nils Schmid: Durch die Lieferung von schweren Waffen alleine besteht nicht die Gefahr, dass wir zur Kriegspartei werden. Aber es geht immer um das Gesamtbild der Unterstützung der Ukraine. Deshalb stimmen wir jeden Schritt sorgfältig mit den Bündnispartnern ab und prüfen auch jeden Schritt sehr sorgfältig auf diese Frage hin.
Quelle: spdfraktion.de