Wissenschaftler bestätigen Zweifel am Standort Gorleben

Zur Anhörung von Sachverständigen im 1. Untersuchungsausschuss „Gorleben” erklärt die Obfrau der SPD-Bundestagsfraktion Ute Vogt:

Die Angst der Union vor kritischen Wissenschaftlern hat die Anhörung im Gorleben-Ausschuss zwar erschwert; die Zweifel am Verfahren der damaligen Standortfindung wurden trotzdem deutlich (angehört wurden die Sachverständigen Wernt Brewitz und Jürgen Kreusch):

  1. Mehr Sicherheit durch Vergleich:
    Ein vergleichendes Verfahren, das heißt die Erprobung mehrerer möglicher Endlager-Standorte gleichzeitig, war bereits in den 1970er Jahren Standard. Doch so ist man damals aber nicht vorgegangen. Stattdessen wurde Gorleben als alleiniger Standort für die weitere Endlagersuche bestimmt. Die Entscheidung für den Standort Gorleben trafen Politiker, nicht Geologen.
  2. Standortbestimmung statt Standortsuche:
    Beide Sachverständige bedauerten, dass die damals von den Wissenschaftlern vorgelegte „strukturierte Rahmenplanung“ zur Untersuchung mehrerer Standorte nicht vollständig umgesetzt wurde. Kreusch dazu: „Einen Standort alleine auszusuchen und zu erkunden ist nicht sehr klug”.
  3. Wie wichtig ist das Deckgebirge?
    Die Beurteilung der Langzeitsicherheit eines Endlagers ist abhängig von mehrstufigen geologischen Barrieren (Barriere Salzstock, Barriere Deckgebirge und so weiter). Während Kreusch für ein „Mehrbarrieresystem” eintritt genügte dem Unions-Sachverständigen Brewitz die alleinige geologische Barriere Salz. Insbesondere beim Thema „Deckgebirge” herrschte Dissens unter den Sachverständigen.
  4. Geologie ist entscheidend für die Sicherheit:
    Die Frage der Endlagergeologie (also der zentrale Aspekt geologischer Sicherheit) hatte bei der Auswahl vom Standort Gorleben nur einen Anteil von 12,8 Prozent. Das belegt auch ein Vermerk des niedersächsischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 9. Dezember 1976. Für die Beurteilung der Sicherheit eines Endlagers sind die geologischen Kriterien das Entscheidende. Auf diesen Feststellungen bauen dann erst alle anderen Kriterien nachfolgend auf.
  5. Erkundung muss geologischen Erfordernissen folgen:
    Wenn Fragen zu Salzrechten und Eigentumsfragen nicht geklärt sind, kann ein Salzstock nicht umfassend erkundet werden. Das betonten beide Sachverständige. Also ergibt sich bereits daraus eine mangelhafte Erkundungsmethodik für Gorleben, wo genau das der Fall ist. Denn dort erkundet man entlang von Eigentumsrechten und nicht nach Erfordernissen der Geologie.
  6. Eignungshöffigkeit – passt zum Bergbau, nicht zum Endlager:
    Der Begriff „Eignungshöffigkeit” ist irreführend und wird insbesondere in der heutigen Zeit völlig fachfremd angewendet. Im Bergbau bedeutet es: eine berechtigte Hoffnung etwas zu finden; im Endlager geht es aber gerade nicht um Auffinden von Bodenschätzen. Manche, die den Begriff „Eignungshöffigkeit” in einer Endlagerfrage verwenden, wollen indirekt oder mittelbar eine Eignung suggerieren. Das ist Schönfärberei und soll mit pseudowissenschaftlicher Begrifflichkeit mögliche Zweifel zerstreuen.

Die weitere Auswertung der Anhörung nach dem Wortprotokoll wird im weiteren Verfahren eine gute Grundlage sein. Bedauerlich ist nach wie vor, dass Union und auch FDP nicht akzeptieren wollten, dass es bei der Anhörung von Sachverständigen um naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten geht. Denn es ging gerade nicht um Politiker als Zeugen, sondern um Geologen. Wer sich bereits vor dem Fachwissen eines Wissenschaftlers fürchtet, ist weder Erkenntnisgewinn noch an Aufklärung interessiert. Damit sind die Regierungskoalitionäre in einer bedauerlichen Tradition zu früheren schwarz-gelben Konstellationen. Auch 1983 konnte die Entscheidung für Gorleben nur fallen indem man wissenschaftlichen Erkenntnissen beiseite schob.

(Quelle: SPD-Fraktion)