Brexit-Deal vorläufig anwenden, dann genau prüfen

Die gefundene Verständigung auf ein Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich kann jetzt erst einmal nur vorläufig zur Anwendung kommen. So verschaffen wir uns die nötige Zeit für eine seriöse Prüfung. Die Europäische Union darf keine Katze im Sack kaufen.

Zunächst begrüßen wir, dass es überhaupt zu einer Einigung gekommen ist. Damit vermeiden wir, aus der Übergangsphase in einer ungeregelten No Deal Situation zu landen.  Das hätte auch ohne Covid-19 eine tiefe wirtschaftliche Krise ausgelöst. Während der gegenwärtigen Pandemie hätte der No Deal ein Desaster insbesondere für das Vereinigte Königreich ausgelöst. Die Europäische Union hat großes Interesse an soliden und freundschaftlichen Beziehungen zum Vereinigten Königreich. Die beste Basis dafür ist das ins Auge gefasste Partnerschaftsabkommen. Aber diese Basis muss für lange Zeit, wohlmöglich Jahrzehnte, halten.

Um ein vollständiges Chaos ab dem 31.12. zu vermeiden, müssen die essentiellen Teile des Vertrages jetzt vorläufig angewendet werden, weil ein ordentliches Ratifizierungsverfahren in den verbleibenden sechs Tagen unmöglich ist. Allein in dieser einmaligen Sondersituation ist die vorläufige Anwendung auch ohne Befassung des Europaparlaments hinnehmbar. Sie muss aber zeitlich befristet werden, um nicht vollendete Tatsachen zu schaffen. Mit einer Befristung verschaffen wir den demokratischen Institutionen Zeit, den Vertrag in Ruhe und sorgfältig zu prüfen. Neben den EU-Abgeordneten müssen auch die Regierungen der Mitgliedstaaten abwägen, ob das Abkommen den Anforderungen genügt. Und der Bundestag kann sich damit befassen, ob nur Themenfelder erfasst sind, die in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen.

Nach allem, was man aus den Verhandlungskreisen hören kann, ist der Europäischen Union gelungen, ihre Kernanforderung zu verwirklichen: faire Wettbewerbsbedingungen, Beachtung von EU-Standards und ein einheitlicher vertraglicher Rahmen für alle Felder der Kooperation. Die britische Regierung wird sicher ein Bild zeichnen wollen, sie hätte sich weitestgehend durchgesetzt. Wenn es hilft, das Abkommen im Unterhaus und in der britischen Öffentlichkeit in ein gutes Licht zu rücken, sollten wir damit großzügig umgehen.

Christian Petry, europapolitischer Sprecher auf spdfraktion.de