Noch mal gut gegangen. So oder so ähnlich ging es vermutlich allen Europa-Befürwortern, als am vergangenen Sonntag die ersten Hochrechnungen zur Wahl in Frankreich veröffentlicht wurden. Zwar hatte Emmanuel Macron in den Umfragen deutlich vor der rechtsradikalen EU-Feindin Marine Le Pen gelegen, aber spätestens seit Brexit-Votum und Trump-Wahl hat das Vertrauen in Prognosen einen erheblichen Knacks bekommen. Umso erfreulicher, dass die Meinungsforscher in diesem Fall richtig lagen: Die Mehrheit der Französinnen und Franzosen hat sich nicht von der Angst-Kampagne der Rechtspopulisten ins Bockshorn jagen lassen, sondern hat für Macron gestimmt. Dass er sich gleich für einen gemeinsamen Euro-Finanzminister und einen gemeinsamen Euro-Haushalt stark macht, zeigt, dass er begriffen hat: Wir brauchen ein starkes, handlungsfähiges Europa. Wir können also erst einmal aufatmen.
Zurücklehnen können wir uns dagegen nicht. Millionen Wählerinnen und Wähler in Frankreich haben zugleich für eine Politikerin gestimmt, die klar fremdenfeindlich ist und die Europäische Union abschaffen will. Unterdessen laufen die Vorbereitungen für die Brexit-Verhandlungen auf Hochtouren. Europa muss aus diesen Tiefschlägen lernen und Konsequenzen ziehen. Sonst steht nach Brexit sowie drohendem Frexit womöglich bald die nächste Zitterpartie ins Haus. Deshalb brauchen wir einen Politikwechsel. Im Moment ist Europa für viele im besten Fall ein gut funktionierender Binnenmarkt, im schlechtesten Fall ein Bürokratiemonster. Wenn es um die wirklich existenziellen Sorgen und Nöte der Menschen geht, tritt die EU dagegen zu wenig in Erscheinung. Aber gerade hier kommt es darauf an!
Mit großer Spannung haben wir deshalb den Vorschlag der EU-Kommission für eine Europäische Säule Sozialer Rechte erwartet. Diese hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für Ende April angekündigt. Und das Europaparlament hatte – quer durch alle Fraktionen – ambitionierte Forderungen dafür formuliert. Was die Kommission jetzt vorgelegt hat, bleibt leider weit dahinter zurück. Neben 20 Grundprinzipien und vielen wohlfeilen Absichtserklärungen enthält das Paket nur einen einzigen Gesetzesvorschlag, nämlich zur Verbesserung der Work-Life-Balance. Ein wichtiges Gesetz, natürlich, aber weitere gute Vorschläge des Parlaments fehlen völlig, etwa der für eine Rahmenrichtlinie für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen grundlegende Arbeitsrechte und sozialen Schutz garantieren. Wir brauchen aber verbindliche Sozialstandards in Europa – und keinen unverbindlichen Sozialknigge. Dafür kämpfen wir weiter.
Und blicken gleichzeitig schon gespannt auf die nächsten wichtigen Wahlen in Deutschland. Auch wenn wir in Schleswig-Holstein einen Dämpfer einstecken mussten, bleiben wir zuversichtlich und drücken Hannelore Kraft die Daumen für die Wahl in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag! Glück auf, liebe Genossin!
Für uns geht es am kommenden Montag weiter mit der Plenarwoche in Straßburg. Unter anderem stehen eine Initiative zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen auf der Tagesordnung sowie ein kritischer Bericht zu mangelnden Arbeitnehmerrechten in Südkorea nach Abschluss des Handelsabkommens mit der EU. Es bleibt also spannend.
Ihre Europa-SPD