Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf einer Netzneutralitätsverordnung kam offensichtlich auch für die Koalitionsfraktionen gänzlich überraschend. Noch in der Plenardebatte vor zwei Wochen zum Netzneutralitätsantrag der SPD-Bundestagsfraktion (Drucksache 17/13892) hat der Unionskollege Dr. Nüsslein keinen hinreichenden Grund dafür gesehen, eine solche Rechtsverordnung „jetzt Knall auf Fall rechtswirksam werden zu lassen“.
Und in der Tat: In Fachkreisen wird der unausgegorene Verordnungsentwurf nur kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Der Versuch, kurz vor Ende der Legislaturperiode noch ein paar Wahlkampfpunkte einzusammeln, ist kläglich gescheitert. So hat beispielsweise eine Anhörung im Unterausschuss Neue Medien zum Thema Netzneutralität in dieser Woche deutlich gemacht, dass der Verordnungsentwurf mehr Fragen aufwirft als Lösungen anbietet. Niemandem ist etwa klar, ob der Verordnungsentwurf nun die Tarifpläne der Deutschen Telekom konterkariert oder durchwinkt.
Doch nicht nur der widersprüchliche und unpräzise Inhalt der Rechtsverordnung ist zu kritisieren. Das gesamte Verfahren ist höchst problematisch und entspricht nicht den parlamentarischen Anforderungen an eine angemessene Beratung. Nach den Ankündigungen der Bundesregierung im federführenden Wirtschaftsausschuss soll am 14. August der Kabinettsbeschluss erfolgen, die Vorlage Anfang September in der für die Haushaltsberatung geplanten Sondersitzung des Bundestages beschlossen sowie am 20. September durch den Bundesrat gepeitscht werden, also zwei Tage vor der Bundestagswahl. Und das bei einer Thematik, die unbestreitbar hochkomplex und von erheblichen Auswirkungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die Marktentwicklung sein wird.
Nicht einmal eine ordentliche Anhörung war in den bisherigen Zeitplänen der Bundesregierung vorgesehen. Immerhin hat in dieser Woche der Wirtschaftsausschuss auf Antrag der SPD-Fraktion vorsorglich beschlossen, Ende August noch eine Anhörung durchzuführen, sollte es bei den Zeitplänen der Bundesregierung bleiben. Es ist jedoch zu betonen, dass dies lediglich eine reine Notmaßnahme wäre, keinesfalls jedoch ein insgesamt angemessenes parlamentarisches Beratungsverfahren. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, von ihren völlig unzureichenden Plänen Abstand zu nehmen. Stattdessen sollte der neu gewählte Bundestag die Möglichkeit erhalten, unter einer rot-grünen Regierung sorgfältig zu beraten und eine angemessene gesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen. In ihrem Bundestagsantrag „Netzneutralität und Diskriminierungsfreiheit gesetzlich regeln, Mindestqualitäten bei Breitbandverträgen sichern und schnelles Internet für alle verwirklichen“ (Drucksache 17/13892), der in dieser Woche im Plenum abschließend beraten wurde, hat die SPD-Bundestagsfraktion hierzu umfassende Regelungsvorschläge vorgelegt.