Dialog sollte fortgesetzt werden

Anlässlich des Offenen Briefes des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) an die SPD-Bundestagsfraktion hat der zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion Martin Dörmann mit einem Offenen Brief geantwortet:

Die SPD-Bundestagsfraktion bedauert die mit dem Offenen Brief erfolgte Absage des ursprünglich am 17. Juni 2009 geplanten Gesprächstermins. Uns wäre es sehr wichtig gewesen, den Mitgliedern des AK Zensur und den anderen Vertretern der Internet-Community unsere Gründe für den gefundenen Kompromiss zum Kinderpornografiebekämpfungsgesetz persönlich zu erläutern. Gleichzeitig wollten wir aber auch die Gelegenheit geben, die möglicherweise weiterhin bestehenden Kritikpunkte nochmals vorzutragen. Wir meinen, es gehört zu einer lebendigen Demokratie, dass man sich gegenseitig zuhört und im Gespräch bleibt, auch wenn man letztlich zu anderen Schlussfolgerungen und Bewertungen kommen mag.

Gerade weil das Internet für eine freie Kommunikation steht, für die der AK Zensur ja in besonderer Weise eintritt, gehen wir davon aus, dass wir an anderer Stelle und zu anderer Zeit weiterhin in der Diskussion bleiben. Das Thema Internet wird uns alle ja auch in Zukunft intensiv beschäftigen.

Der zentrale Vorwurf des Offenen Briefes des AK Zensur lautet, dass durch das Gesetz eine Infrastruktur geschaffen werde, die später auch für die Sperrung anderer, beliebiger Inhalte genutzt werden kann. Hierbei gilt es, zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden:

1. Gesetzliche Regelung
Das Kinderpornografiebekämpfungsgesetz regelt eindeutig nur die Zulässigkeit von Sperren bei Seiten mit kinderpornografischen Inhalten. Die SPD konnte bei den Verhandlungen mit der Union am Ende durchsetzen, dass die wesentlichen Regelungen in einem Spezialgesetz normiert werden, das ausschließlich kinderpornografische Inhalte erfasst. Dies wird auch noch einmal in der neuen Gesetzesbegründung festgehalten. Wir sind sogar so weit gegangen, dass die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche auf Grundlage der neu geschaffenen Infrastruktur ausdrücklich ausgeschlossen wird. Zudem dürfen Daten, die aufgrund der Umleitung bei der Stopp-Meldung anfallen, nicht für Zwecke der Strafverfolgung genutzt werden.

Eindeutiger kann man nicht regeln, dass es sich um ein reines Präventionsgesetz in einem besonders gelagerten Fall handelt, das nicht auf andere Inhalte oder Zwecke übertragbar ist.

2. Technische Infrastruktur
Leider wird in der öffentlichen Debatte selten erwähnt, dass die technische Infrastruktur für Internetsperren sich bereits im Aufbau befindet. Durch die Verträge zwischen BKA und den größten Internet-Service-Providern in Deutschland werden diese bereits verpflichtet, die Infrastruktur bereitzustellen und entsprechende Sperrungen in nächster Zeit vorzunehmen. Damit ist der Endkundenmarkt in Deutschland weitgehend abgedeckt. Nach unseren Informationen würden diese Verträge auch dann umgesetzt, wenn es kein Gesetz gäbe.

Ich teile durchaus die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verträge, da sie aus unserer Sicht keinen hinreichenden Grundrechtsschutz gewährleisten. Bis es aber möglicherweise zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Sache käme, wäre die Infrastruktur schon lange in Betrieb, ohne dass es gleichzeitig hinreichende Schutzbestimmungen für die Internetnutzer gibt, die wir nun gesetzlich regeln. Die aber wollen wir – und ich kann mir nicht vorstellen, dass der AK Zensur sich nicht auch für einen solchen Schutz einzusetzen gedenkt.

Vor diesem Hintergrund habe ich den Arbeitskreis Zensur gebeten, seine bisherige Argumentation zu überdenken, zumindest aber anzuerkennen, aus welchen Motiven heraus die SPD-Bundestagsfraktion dem Gesetz zugestimmt hat. Selbst wenn man am Ende zu anderen Bewertungen kommt, sollte man die Pro- und Contra-Argumente zunächst einmal fair gegenübergestellt haben. Nur bei einer ehrlichen Abwägung der Argumente wird man am Ende zu einer verantwortlichen Entscheidung kommen können.

Dabei ist es natürlich auch klar, dass der AK Zensur in erster Linie der mehrheitlichen Meinung seiner Mitglieder Ausdruck verleiht und deshalb unter Umständen auch zugespitzte Positionen vertreten muss. Die Politik steht jedoch in einer Gesamtverantwortung und muss die unterschiedlichen Argumente am Ende zusammenführen und gewichten. Für die SPD-Bundestagsfraktion kann ich dem AK Zensur versichern, dass wir dabei auch die Argumente aus der Internet-Community sorgfältig abgewogen haben. Wir möchten uns deshalb noch einmal ausdrücklich und sehr herzlich für den fruchtbaren Meinungsaustausch in den letzten Wochen bedanken. Zahlreiche Argumente und Informationen sind ganz konkret in die parlamentarischen Beratungen eingeflossen. Auch die in der E-Petition geäußerte Kritik in Bezug auf eine fehlende Kontrolle der Sperrlisten und ein intransparentes Verfahren haben wir erfolgreich aufgegriffen.

Der öffentliche Druck der Internet-Community ist also keinesfalls wirkungslos geblieben, sondern hat die allgemeine Sensibilität für diese Thema erhöht und letztlich der SPD-Bundestagsfraktion in den Verhandlungen den Rücken dafür gestärkt, wesentliche Änderungen am Gesetzentwurf vorzunehmen.

In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere auf folgende Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf hinweisen, die nun im Gesetz enthalten sind:

1. Verankerung des Subsidiaritätsprinzips – Löschen vor Sperren: Die Aufnahme in die Sperrliste des BKA erfolgt nur, soweit zulässige Maßnahmen, die auf eine Löschung der Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten abzielen, keinen Erfolg haben. Wir haben somit ein zentrales Anliegen der Internet-Community umgesetzt.

2. Kontrolle der BKA-Liste und Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener: Beim Datenschutzbeauftragten des Bundes wird ein unabhängiges Gremium bestellt, dessen Mitglieder mehrheitlich die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Das Gremium kontrolliert die BKA-Liste regelmäßig und kann sie jederzeit einsehen und korrigieren, soweit die Voraussetzungen für eine Sperrung nicht vorliegen. Es wird verankert, dass gegen die Aufnahme in die Sperrliste der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.

3. Datenschutz: Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.

4. Spezialgesetzliche Regelung mit Befristung: Zur eindeutigen Klarstellung, dass nur eine Sperrung von Internet-Seiten mit Kinderpornografie ermöglicht wird, nicht jedoch von anderen Inhalten, werden die wesentlichen Regelungen in einem neuen Zugangserschwerungsgesetz statt im Telemediengesetz verankert. Zudem tritt das Gesetz automatisch zum 31. Dezember 2012 außer Kraft, so dass in jedem Falle die vorgesehene Evaluation auszuwerten ist, auf deren Basis endgültig entschieden werden kann. Zusätzlich haben wir eine Bestimmung aufgenommen, die ausschließt, dass die neu geschaffene Infrastruktur zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche genutzt werden kann.

Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren.

Uns ist bewusst, dass die Mitglieder des AK Zensur eine besondere Sensibilität beim Thema Internet haben. Wir teilen das Ziel, das Internet als Raum der freien Kommunikation zu erhalten und zu schützen. Das Internet stärkt die Entfaltungsmöglichkeiten jedes einzelnen von uns ebenso wie die weltweite Entwicklung demokratischer Inhalte. Deshalb kämpft die SPD auf internationaler Ebene gegen die Zensur des Internets. Und wir wollen sie auch nicht in Deutschland.

Wir halten es aber für falsch und völlig unangemessen, im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetz von Zensur zu reden. Niemand würde es als Zensur bezeichnen, wenn die Polizei ein kinderpornografisches Bild an einem Zeitungskiosk beschlagnahmt. Auch der AK Zensur selbst spricht ja nicht von Zensur, wenn er auf dem Löschen entsprechender Inhalte auf Internetservern besteht. Demgegenüber ist eine Maßnahme, mit der der Zugang zu solchen Seiten lediglich durch eine Sperre erschwert wird, sogar die mildere Maßnahme. Auch insofern sollte so manche Argumentation überprüft werden.

Für die SPD-Bundestagsfraktion möchte ich noch einmal betonen, dass wir auch für die Zukunft auf einen Dialog mit dem AK Zensur und der Internet-Community setzen. Die sicherlich sehr schwierigen Themen, die mit dem Medium Internet und seiner rechtlichen Gestaltung zusammenhängen, lassen sich aus unserer Sicht nur durch Argumente, Information, Dialog und eine angemessene Abwägung unterschiedlicher Interessen und Positionen lösen.

(Quelle: SPD-Bundestagsfraktion)