Der SPD-Parteivorstand hat bei seiner Jahresauftaktklausur in Nauen nachfolgenden Beschluss gefasst. Darin geht es um eine Bilanz der bisherigen Arbeit und um die Herausforderungen in den nächsten Jahren. Dabei will die SPD vor allem den Modernisierungsstau in Deutschland abbauen, der sich in der Infrastruktur, bei Bildung, Forschung und Entwicklung aufgebaut hat.
Unsere Erfolge
Die Welt befindet sich in einer Phase des politischen und wirtschaftlichen Umbruchs, die Unsicherheiten nehmen zu. Und dennoch ist unser Land, basierend auf einer guten wirtschaftlichen Entwicklung, stabil.
Unser Wirtschaftswachstum war im vergangenen und wird in diesem Jahr im europäischen Vergleich überdurchschnittlich sein, getragen vor allem von der Binnennachfrage, insbesondere dem privaten Konsum durch steigende Haushaltseinkommen. Mehr als 43 Millionen Beschäftigte: Nie waren in der Geschichte der Bundesrepublik mehr Menschen in Beschäftigung als heute. Die Arbeitslosenquote ist auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken, und nach einer langen Phase stagnierender Löhne sind die Reallöhne im 1. Halbjahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 2,7 Prozent gestiegen.
Das alles sind beeindruckende Belege für eine erfolgreiche Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik. Während heute viele andere Länder in Europa und Nordamerika um die richtigen Wege für ihre „Re-Industrialisierung“ ringen, ist Deutschlands industrieller Mittelstand ebenso wie seine großen und weltweit tätigen Unternehmen hochproduktiv, innovativ und wettbewerbsfähig. Unser heutiger Wohlstand basiert nicht zuletzt auf den mutigen Entscheidungen der SPD-geführten Bundesregierung vor mehr als 10 Jahren, fortgesetzt durch sozialdemokratische Finanz-, Arbeits- und Wirtschaftsminister in zwei Großen Koalitionen.
Unsere Aufgabe
An diesen Mut können wir Sozialdemokraten anknüpfen. Deutschland darf die heute gute wirtschaftliche Lage nicht als selbstverständlich für die Zukunft voraussetzen und sich nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen. Denn wir leben wirtschaftlich von der Substanz und auch von Rahmenbedingungen wie einem niedrigen Ölpreis und einem schwachen Euro. Im Kern sichert aber nur die innere Stärke und Innovationskraft unserer Unternehmen und der Wirtschaft langfristig Erfolg und Arbeitsplätze.
Deshalb müssen wir die Grundlagen unseres wirtschaftlichen Erfolgs wiederum erneuern. Deutschland hat inzwischen einen erheblichen Modernisierungsstau:
• Modernisierungsstau in der Infrastruktur
• Modernisierungsstau in der digitalen Infrastruktur und der digitalen Bildung
• Modernisierungsstau in den Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung
• Modernisierungsstau in den privaten Investitionen
• Modernisierungsstau im Zugang von Fachkräften zum deutschen Arbeitsmarkt
Wenn wir auch in 10 Jahren noch gut und sicher leben wollen, werden wir diesen Modernisierungsstau anpacken müssen.
Unser Ziel: Ein Modernisierungspakt für die nächsten zehn Jahre
Deutschland braucht in den kommenden 10 Jahren einen Modernisierungspakt mit zusätzlichen privaten und öffentlichen Investitionen von rund 60 Mrd. Euro jährlich, um seine Wettbewerbsfähigkeit, seine wirtschaftliche Kraft, seine soziale Sicherheit und seine ökologische Nachhaltigkeit zu erhalten und auszubauen.
Deshalb darf es für die Finanzierung dieses Modernisierungspaktes keine ideologischen Tabus geben: Weder dürfen wir die Erschließung privatwirtschaftlicher Finanzierungsquellen für eine öffentlich-private Investitionspartnerschaft zum Tabu erheben noch die Finanzierung von langfristigen Investitionsvorhaben durch öffentliche Kreditaufnahme.
Ohne mehr Investitionen, ohne wirkliche Innovationen, ohne moderne Infrastrukturen, ohne die Internationalisierung unserer Wirtschaft und ohne die Integration aller Qualifikationen werden wir in Deutschland und Europa nicht erfolgreich und weder wettbewerbs- noch zukunftsfähig sein. Auf fünf Feldern müssen wir handeln:
• Investitionen: Investitionen in die Kernbereiche der deutschen Wirtschaft und die Leitmärkte der Zukunft sind für die weitere wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes von fundamentaler Bedeutung. Deshalb wollen wir eine gesamtstaatliche Investitionsquote oberhalb des Durchschnitts der OECD-Staaten erreichen.
• Innovationen: Mit gesamtstaatlichen Forschungsausgaben von knapp 3 Prozent des BIP unternehmen wir im europäischen Vergleich überdurchschnittliche Anstrengungen zur Stärkung der Innovationsfähigkeit. Wir müssen aber den Anschluss an die innovationsfreudigsten Regionen der Welt finden, in denen die FuE-Ausgaben die Marke von 4 Prozent des BIP übersteigen. Das muss für 2025 auch Deutschlands Ziel sein.
• Infrastrukturen: Insbesondere im Bereich der öffentlichen Infrastrukturen lebt Deutschland von der Substanz. Schätzungen zufolge summieren sich unterlassene Sanierungs- und Erneuerungsinvestitionen auf über 100 Milliarden Euro. Nachholbedarf besteht vor allem im kommunalen Bereich.
• Internationalisierung: Die deutsche Wirtschaft profitiert wie kaum eine andere von der weltweiten Vernetzung. Knapp jeder zweite Euro unserer Wirtschaftsleistung beruht auf Ausfuhren, jeder vierte Arbeitsplatz im Land hängt unmittelbar vom Export ab, in der Industrie sogar jeder Zweite. Wir müssen deshalb in Europa die Trendwende zu Wachstum und Beschäftigung erreichen und unsere internationalen Handelsbeziehungen stärken.
• Integration aller Talente und Qualifikationen: Fortschritt und Wachstum entstehen durch die Arbeit und die Qualifikationen der Menschen. Wir müssen uns darum bemühen, alle Talente in unserem Land zu finden und zu fördern. Wir müssen die Investitionen in Bildung und Ausbildung weiter massiv steigern.
Was jetzt getan werden muss
Wir brauchen eine Politik für Fortschritt und Gerechtigkeit. Sie muss den demographischen und den digitalen Wandel gestalten, gute Arbeit und Wohlstand für alle schaffen, die Energiewende als Kern einer nachhaltigen Wirtschaft zum Erfolg führen und die europäische Integration vorantreiben
I.) Gute Arbeit, Integration und Qualifizierung fördern
Vieles von dem, was zu besserer Arbeit führt, haben wir in dieser Legislaturperiode bereits umgesetzt. Weiteres werden wir in diesem Jahr noch anpacken. Über die Vorhaben des Koalitionsvertrages hinaus geht es im nächsten Jahrzehnt vor allem auch darum, eine behutsame Evolution von Arbeit im digitalen Wandel herbeizuführen. Dies zum Beispiel, indem wir den Betriebsbegriff sowie dern Arbeitnehmerbegriff weiterentwickeln, neue Angebote für die soziale Absicherung von Solo-Selbständigen schaffen und neue, digitale Dienstleistungsplattformen stärker in die Verantwortung für die Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen sowie die soziale Absicherung nehmen.
Qualifizierung ist das beste Mittel, um Integration zu schaffen, das inländische Fachkräftepotenzial zu nutzen und die Menschen auf die Arbeitswelt 4.0 vorzubereiten. Wir brauchen deshalb eine bessere Finanzierung von Bildung in allen Bereichen – bei den Kitas, Schulen, Hochschulen und der beruflichen Qualifizierung. Nirgends sind die gesellschaftlichen Renditen so hoch wie im Bildungsbereich. Die Länder haben hier enorme Ausgaben zu stemmen, sind aber ab 2020 mit dem Neuverschuldungsverbot des Grundgesetzes konfrontiert. Damit die Bildungsinvestitionen in ganz Deutschland im nächsten Jahrzehnt substanziell steigen können, muss die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen die Finanzkraft aller Länder verbessern.
Der bildungspolitische Flickenteppich tut unserem Land nicht gut. Je mobiler unsere Gesellschaft wird, desto kompatibler müssen unsere Curricula und unsere Abschlüsse werden. Wir brauchen deshalb eine bessere Koordinierung und Zusammenarbeit in der Bildungspolitik Deutschlands. Deshalb sollten wir einen neuen Anlauf für einen modernen Bildungsföderalismus starten und das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufheben.
Gute Arbeit und speziell die Ermöglichung von flexibler, partnerschaftlicher Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen und damit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch ein Vorteil im globalen Wettbewerb. Wir brauchen deshalb auch einen weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen.
Durch den Zuzug von rund 1 Million Flüchtlingen im Jahr 2015 wächst der Bedarf an Kita- und Schulplätzen mit Sprachförderung und Ganztagsangeboten. Schätzungsweise werden mehr als 300.000 zusätzliche Kinder in Deutschland schulpflichtig sein. Rund 140.000 Kinder im Vorschulalter werden zu fördern sein. Dafür brauchen wir 20.000 neue Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas und zusätzlich 25.000 Lehrerinnen und Lehrerinnen. Wir setzen uns dafür ein, dass der Bund die Länder bei diesen zusätzlichen Anstrengungen unterstützt.
Die Duale Berufsausbildung ist ein Erfolgsfaktor für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir müssen sie vor allem mit Blick auf die Digitalisierung um neue Berufsbilder ergänzen und modernisieren. Wir brauchen mehr Auszubildende, um die Zukunft von Handwerk, Dienstleistung und Industrie in Deutschland zu sichern. Eine Ausbildung ist nicht „last exit“, eine Ausbildung steht gleichberechtigt neben dem Studium.
II.) Investitionen in die Zukunft erhöhen
Die Fratzscher-Kommission im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hat im vergangenen Jahr festgestellt, dass Deutschlands Zukunft durch eine immense Investitionslücke belastet wird. Wir wollen bis 2025 die Investitionsquote Deutschlands deutlich über den OECD-Durchschnitt heben und die Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf über 4 Prozent des BIP steigern. Steigern müssen wir die kommunalen Investitionen, Investitionen in schnelles Internet, in die Digitalisierung und in die Energiewende.
Die SPD hat durchgesetzt, dass der Bund rund 20 Mrd. Euro Entlastung und zusätzliche Investitionsmittel den Ländern und den Städten und Gemeinden in dieser Legislaturperiode zur Verfügung stellt. Das ist das größte kommunale Entlastungsprogramm seit Jahrzehnten und stärkt vor allem die kommunalen Investitionsmöglichkeiten. Wir wollen diesen Weg fortsetzen: Die Struktur- und Investitionsstärken im Bundesgebiet sind nach wie vor ungleich verteilt. Die Ungleichheiten zwischen Ost und West sind jedoch nur eine Dimension der regional gespaltenen Entwicklung Deutschlands. Die Finanzkraft der Kommunen fällt bundesweit weit auseinander. Sowohl ost- als auch westdeutsche Flächenländer spüren die Lasten einer ungünstigen demografischen Entwicklung und die wachsenden Herausforderungen des wirtschaftlichen Strukturwandels. Bundesweit gibt es strukturschwache Regionen, die ohne gezielte Strukturpolitik weiter zurückfallen. Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wollen wir nutzen, um die Solidarität im Gesamtstaat zu stärken und Investitionschancen in schwächeren Regionen dauerhaft zu erhöhen.
Wir wollen die bewährte und eingespielte Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Wirtschaftspolitik“ erhalten und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder weiterentwickeln. Im Sinne eines integrierten Ansatzes wollen wir prüfen, ob sie durch Maßnahmen zur Innovationsförderung und zur Förderung der Daseinsvorsorge ergänzt werden kann.
Wir wollen die Energiewende der Mobilität beschleunigen. Dazu brauchen wir jetzt wirksame industriepolitische Impulse, an erster Stelle, um das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 noch zu erreichen. Wir wollen eine Kaufprämie für Elektroautos und gezielte Investitionen in den Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Wir haben erreicht, dass die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur bis 2018 um 40 Prozent erhöht werden und damit auf ein Niveau von rund 14 Mrd. Euro anwachsen. Dabei investieren wir vorrangig in den Erhalt der bestehenden Verkehrswege und in Projekte mit überregionaler Bedeutung. Um den umweltfreundlichen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in den Kommunen weiter zu stärken, wollen wir die Mittel für den kommunalen Straßenbau und den ÖPNV (Entflechtungsmittel) über das Jahr 2019 hinaus fortführen.
Wir wollen die projektorientierte steuerliche Forschungsförderung weiter ausbauen, die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft stärken und den Transfer von Technologie in die Marktreife beschleunigen. Über eine Steuergutschrift für FuE-Ausgaben in kleinen und mittleren Unternehmen soll die Forschungstätigkeit im Mittelstand gestärkt werden.
Wir wollen die Rahmenbedingungen für Wagniskapital deutlich verbessern, auch um Startups in Deutschland groß zu machen und zu halten. Es braucht einen attraktiven Rechtsrahmen für potentielle Investoren und Wagniskapitalgeber, am besten durch ein Wagniskapitalgesetz. Die steuerlichen Rahmenbedingungen sollten an europäische Standards angepasst werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu gehört, dass die Veräußerung von Streubesitzanteilen von Kapitalgesellschaften weiterhin steuerfrei sein muss. Daneben wollen wir die Möglichkeiten zur Eigenkapitalfinanzierung durch Schaffung besserer Rahmenbedingungen wie das im letzten Jahr eingeführte vorbörsliche Segment erweitern.
Wir wollen, dass Beteiligungsinvestitionen insbesondere in junge Unternehmen gefördert oder zumindest nicht schlechter gestellt werden als eine Fremdkapitalfinanzierung. Dazu gehört, eine gezielte Verlustnutzung bei der Beteiligung an innovativen Unternehmen europarechtsgemäß zuzulassen.
Neben der Finanzierung werden von Gründern immer noch bürokratische Hürden als ein zentrales Gründungshemmnis genannt. Wir haben in dieser Legislaturperiode mit dem Bürokratieentlastungsgesetz, welches unter anderem die Regel beinhaltet, dass für jede neue Belastung durch Bürokratiekosten eine bestehende abgebaut werden muss (one-in-one-out) bereits viel erreicht. Wir wollen ein zweites Bürokratieabbaugesetz: mit einer Anhebung der Geringwertige-Wirtschaftsgüter-Schwelle, der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmer-Regelung, der Einführung einer elektronischen Steuerbescheinigung für Kapitalerträge und der vierteljährlichen Umsatzsteuervoranmeldung für Existenzgründer.
III.) Eine digitale Industriepolitik auf den Weg bringen
Die Digitalisierung stellt vor allem für die Industrie, aber auch für den Dienstleistungssektor durch die Verbindung von physischer und virtueller Welt eine historische Zäsur dar: Prozesse, Produktion, Produkte und Services werden sich radikal verändern. Der Sprung in ein neues Industriezeitalter erfordert eine mutige Innovations- und Industriepolitik, die den notwendigen regulatorischen Rahmen schafft, damit aus den Herausforderungen Chancen für Wachstum und Beschäftigung werden.
Wir brauchen eine hochleistungsfähige digitale Infrastruktur. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Breitband-Ausbauziele mit flächendeckend mindestens 50 Mbit/s bis 2018 sind ein Zwischenschritt. Bald aber werden Bandbreiten mit 500 Mbit/s und mehr zum Stand avancierter technologischer Anforderungen gehören. Daher wollen wir eine zukunftsfähige Glasfaser-Strategie für ein Gigabitnetz mit klaren Ausbauzielen bis 2025 entwickeln und umsetzen. In den nächsten zehn Jahren müssen wir vor allem aus privaten, aber auch aus öffentlichen Mitteln 100 Mrd. Euro in ein Gigabitnetz investieren.
IV.) Die Energiewende als Treiber wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit zum Erfolg führen
Wir müssen den nachhaltigen Umbau unseres Energiesystems konsequent fortsetzen. Bei all unseren Bemühungen gilt: Die Balance des energiepolitischen Dreiecks – Ausbau von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, Versorgungssicherheit, bezahlbare Energiepreise für alle, muss stets gewahrt werden. Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität können nur dann gesichert werden, wenn die Energieversorgung nicht nur umweltpolitisch nachhaltig, sondern auch zu wettbewerbsfähigen Preisen möglich und langfristig sicher ist. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie darf nicht durch steigende Energiepreise gefährdet werden, und wir müssen unser Energiesystem in den europäischen Verbund integrieren.
Gleichzeitig ist der Umweltschutz ein Wachstumsmotor. 1,5 Millionen Menschen verdienen heute ihr Geld mit Umwelttechnologien. Der Weltmarktanteil ‚grüner‘ Produkte, Verfahren und Dienstleistungen „Made in Germany“ liegt bei rund 14 Prozent. Es ist uns gelungen, das Wirtschaftswachstum in Deutschland vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln – sowohl vom Energie- wie auch vom Rohstoffverbrauch allgemein. Diese Effizienzstrategien und damit auch der Klimaschutz sind besonders erfolgreiche Innovationstreiber.
Wir wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien planbar gestalten und die Erneuerbaren in den Wettbewerb überführen und die Förderhöhe für erneuerbare Energien ab Ende 2016 grundsätzlich durch wettbewerbliche Ausschreibungen ermitteln. Im Strommarkt 2.0 refinanzieren sich die benötigten Kapazitäten über bestehende Marktmechanismen. Mit einem investitionsfreundlichen Regulierungsrahmen wollen wir Rekommunalisierungen ermöglichen. Investitionen in die Energieeffizienz als zweite Säule der Energiewende werden wir massiv erhöhen und Energiespeicher und deren wirtschaftlichen Einsatz als Flexibilitätsoption im Stromsystem der Zukunft weiter im Blick behalten.
Wir wollen die Digitalisierung der Energiewende. Die intelligente Vernetzung bietet große Chancen für die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Wir haben daher das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende auf den Weg gebracht. Intelligente Messsysteme schaffen die Möglichkeit, die Kommunikation zu verbessern und ein intelligentes Netz zu entwickeln. Aber wir behalten dabei auch Datenschutz und Wirtschaftlichkeit im Blick.
Energiekosten sind entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. Daher müssen die staatlich veranlassten Preisbestandteile auf den Prüfstand. Wir werden Vorschläge für ein Energiesteuerentlastungsgesetz erarbeiten, das für die kommenden zehn Jahre eine stufenweise Absenkung der energiebezogenen Steuern regelt. Unsere Zielstellung, die Energiewende konsequent voranzutreiben, bleibt davon unberührt.
V.) Europäisierung und Internationalisierung stärken
Die europäische Schulden-, Wirtschafts- und Beschäftigungskrise als Folge des Zusammenbruchs der Finanzmärkte haben die Schwächen der Architektur der Eurozone klar aufgezeigt und Zweifel am Euro und an Europa geschürt. Seit der Krise von 2008 ist insbesondere der Euroraum nicht mehr aus Wachstumsschwäche und Finanzierungskrisen herausgekommen.
Wir wollen den Stabilitäts- und Wachstumspakt verbessern. Länder, die die Defizitkriterien verletzen, sollen größeren Spielraum bekommen, um wachstumsfördernde Reformen durchzuführen. Eine nachhaltige Wachstumspolitik mit dem Ziel der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit in Europa muss gleichrangig in der Politik der Europäischen Union verankert werden wie eine Politik solider Finanzen und darf der Stabilitätspolitik nicht länger nachgeordnet bleiben.
Wir wollen Steuerdumping unterbinden und Ausnahmen von Steuergesetzen für einzelne Unter¬nehmen grundsätzlich verbieten, um für die längerfristige fiskal¬politische Stabilisierung auch die Einnahmenseite effizienter und gerechter zu gestalten.
Einzelfallauslegungen geltenden Rechts, sog. Tax-Rulings, müssen der EU-Kommission angezeigt und in den automatischen Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden der Mitgliedstaaten und die bessere Zusammenarbeit der Steuerbehörden in Europa einbezogen werden. Wir wollen den unfairen Wettbewerb durch spezielle Begünstigung bestimmter Einkunftsarten, z.B. aus Lizenzen oder Patenten, bekämpfen.
Wir wollen Briefkastenfirmen und Stiftungen, deren wirtschaftlich Berechtigte anonym bleiben, sowie noch bestehende Möglichkeiten staatenloser Gesellschaftsgründungen verbieten.
Um den schädlichen Steuerunterbietungswettbewerb zwischen den Staaten dauerhaft zu überwinden und Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, brauchen wir eine stärkere Harmonisierung der nationalen Steuersysteme. Wir unterstützen die Vorschläge der Kommission zur Einführung einer gemeinsamen Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage. Wir sprechen uns dafür aus, diese gemeinsam und zeitgleich mit Mindeststeuersätzen bei den Unternehmenssteuern einzuführen.
Der fortschreitende Konvergenzprozess unter den Mitgliedstaaten in der Steuer- und Finanzpolitik kann Vorstufe eines eigenen Budgets für die Eurozone sein. So kann die einzuführende Finanztransaktionssteuer als Ausgangspunkt für eigene Finanzmittel und eine Kreditaufnahmefähigkeit auf europäischer Ebene dienen. Dieses Budget kann in Zukunft einerseits wichtige Investitionsfunktionen auf europäischer Ebene wahrnehmen – zum Beispiel im Bereich europäischer Netze und grenzüberschreitender Infrastruktur – und andererseits durch Anpassung von Einnahmen oder Ausgaben die EZB bei der Stabilisierung der Konjunktur der Eurozone unterstützen, wenn die Summe nationaler Fiskalpolitiken nicht ausreicht.
Dem Fortschritt eine Richtung geben
Deutschland muss die großen aktuellen Herausforderungen erkennen und die Soziale Marktwirtschaft auf diese Herausforderungen einstellen. Unser Ziel ist es, gesellschaftlichen Wohlstand und Fortschritt auch zukünftig zu gewährleisten. Dafür ist das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts notwendig. Aber BIP-Wachstum allein ist als Orientierungsgröße nicht hinreichend. Die Verteilung des Wohlstands und der soziale Zusammenhalt bestimmen unsere Zukunftsfähigkeit. Die Qualität des Wachstums ist der Maßstab. Deswegen wollen wir das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz aus dem Jahre 1967 diesen Anforderungen anpassen, damit Wachstum, Investitionen, sozialer Zusammenhalt und ökologische Nachhaltigkeit zu einem progressiven Kompass der Wirtschaftspolitik werden.